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Emotionen überfallen uns nicht - wir machen sie aus Gewohnheit

Aktualisiert: 20. März

Laut dem Stand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen sind wir unseren Emotionen oder Gefühlen - auch wenn es sich manchmal sicher nicht so anfühlt -   nicht machtlos ausgeliefert.  Sie überkommen uns nicht einfach aus dem Nichts, werden uns nicht von anderen zugefügt  und sind auch keine Fehlprogrammierung vom lieben Gott.

Wir erzeugen Sie mit unserem Gehirn und unserem Körper durch die Art und Weise wie wir einen Reiz oder ein Ereignis bewerten sagt Vivian Ditmar - Autorin des Buches Gefühle & emotionen - eine Gebrauchsanweisung.

Das ist schlecht/falsch = Wut

Das ist gut/richtig = Freude

Das ist furchtbar= Angst

Das ist schade = Trauer

Ich bin schlecht/falsch = Scham

Diese Bewertung führt zur Aktivierung von Nerven und Muskelzellen und diese erzeugen dann das für eine Emotion typische Gefühl im Körper.  Wenn ich dir sagen würde : Nimm mal eine für Freude typische Körperhaltung an oder mach mal eine für Freude typische Bewegung wirst Du sofort wissen, was zu tun ist. Das gleiche gilt für Angst, Trauer, Wut und Scham.

Die Frage, ob Emotionen angeboren oder gelernt sind, ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Debatten. Es gibt verschiedene Theorien und Ansätze, die sich mit dieser Frage befassen.

Einige Forscher argumentieren, dass bestimmte emotionale Reaktionen angeboren sind und bereits bei der Geburt vorhanden sind. Diese Theorie wird als "Universalität der Emotionen" bezeichnet. Sie besagt, dass Menschen überall auf der Welt ähnliche emotionale Reaktionen auf bestimmte Situationen zeigen, unabhängig von ihrer kulturellen oder sozialen Umgebung. Zum Beispiel zeigen Babys bereits kurz nach der Geburt bestimmte emotionale Reaktionen wie Freude, Angst oder Überraschung.

Andere Forscher argumentieren jedoch, dass Emotionen größtenteils gelernt sind und durch die Erfahrungen und die soziale Umgebung geformt werden. Diese Theorie wird als "Sozialisationstheorie" bezeichnet. Sie besagt, dass Menschen durch ihre Interaktionen mit anderen lernen, wie sie Emotionen erkennen, ausdrücken und regulieren können. Zum Beispiel lernen Kinder im Laufe ihrer Entwicklung, wie sie ihre Emotionen angemessen ausdrücken und wie sie mit verschiedenen emotionalen Situationen umgehen können.

Es gibt auch Ansätze, die eine Kombination aus angeborenen und erlernten Aspekten betonen. Diese Theorien argumentieren, dass bestimmte emotionale Reaktionen angeboren sind, aber durch die Erfahrungen und die soziale Umgebung moduliert werden können.

Insgesamt lässt sich sagen, dass sowohl angeborene als auch erlernte Faktoren eine Rolle bei der Entstehung und dem Ausdruck von Emotionen spielen. Die genaue Balance zwischen diesen Faktoren kann jedoch je nach Emotion und individueller Erfahrung variieren.

Was für uns entscheidend ist, ist dass je häufiger wir eine Emotion im Laufe unseres Lebens durch unsere Bewertung erzeugen, desto gewohnter und normaler fühlt sie sich für uns an und desto leichter können wir sie erzeugen.

Im Laufe unseres Lebens sind so bei jedem von uns emotionale Muster entstanden, ähnlich wie Bewegungsmuster - die wir immer und immer wiederholen. Sie sind zu unserer emotionalen Heimat geworden. Dort fühlen wir uns sicher. Nicht weil sie sich so gut anfühlen, sondern, weil wir damit aufgewachsen sind und sie sich für uns gewohnt und normal anfühlen.

Wenn du also aus einem fröhlichen Elternhaus stammst wo immer viel gelacht wurde und das Glas immer eher als halb voll betrachtet wurde ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Du dich an diesen emotionalen Zustand gewöhnt hast und er sich für dich normal und gewohnt anfühlt.

Wenn du in einem depressiven, gewaltvollen oder ernsthaften Elternhaus oder Umfeld ausgewachsen bist  wo Angst, Sorge, Überforderung, Agression, Trauer, Wehmut  häufig gelebte Zustände waren, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es dir leicht fällt dich in diese Emotionalen Zustände zu begeben.

Hierhin kehren wir also immer wieder zurück. Meist, ohne, dass es uns bewusst ist.

Was wir allerdings irgendwann bewusst wahrnehmen, sind die Ergebnisse, die Resultate, die  wir mit unserem Verhalten und unseren Handlungen erzielen. Und wenn das Bankkonto leer, der Körper unfit und übergewichtig, die Beziehung konfliktreich und der Job extrem stressig und wenig erfüllend ist,  dann versuchen wir meist unser Verhalten zu verändern, um bessere Resultate zu erzielen. Da unser Verhalten aber von unserem emotionalen Zustand gesteuert wird, kommen wir - wenn wir langfristig etwas verändern wollen - um eine Veränderung unserer emotionalen Grundmuster nicht herum.

Doch wie geht das? Wie kannst Du die Kontrolle über Deine Emotionen übernehmen und unangenehme und wenig zielführende Muster durch hilfreiche und angenehme Muster ersetzen?

In seinem Buch  permission to feel beschreibt Marc Brakett, Gründer und Director des emotional intelligence centre der Universität Yale, dass es in erster Linie darauf ankommt emotional kompetent zu werden. Wir sind uns oft unserer Gefühle nicht in ihrer Bedeutung bewusst und verstehen nicht, was sie uns mitteilen wollen. Wenn wir gefragt werden, wie es uns geht antworten wir mit gut oder schlecht. Vielleicht noch mit gestressed oder aufgeregt.

Das Vokabular, dass wir zu Benennung unserer Gefühle benutzen ist nicht sehr differenziert. Dementsprechend fällt es vielen auch sehr schwer innere Zustände adäqaut zu deuten und die Energie, die im Körper wahrnehmbar ist zielgerichtet zu nutzen.

Was es also braucht ist ein Lernprozess. Ein Lernprozess, bei dem wir achtsam unsere Gefühle wahrnehmen und versuchen zu verstehen was sie uns mitteilen wollen.

Marc Brackett hat hierzu einen Prozess mit dem Namen RULER zur Regulation von Emotionen entwickelt. Er besteht aus fünf Schritten:

1. Recognize (Erkennen): Bewusstes Wahrnehmen und Identifizieren der eigenen Emotionen sowie der Emotionen anderer Menschen.

2. Understand (Verstehen): Das Verständnis für die Ursachen und Auslöser der Emotionen entwickeln, um sie besser zu kontrollieren und zu regulieren.

3. Label (Benennen): Die Emotionen mit passenden Begriffen benennen, um eine klare Kommunikation und Reflexion zu ermöglichen.

4. Express (Ausdrücken): Die Emotionen auf eine gesunde und konstruktive Weise ausdrücken, um eine positive Interaktion mit anderen zu fördern.

5. Regulate (Regulieren): Strategien entwickeln, um die eigenen Emotionen zu regulieren und angemessen auf emotionale Herausforderungen zu reagieren.

Der Ruler-Prozess zielt darauf ab, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Emotionen besser zu verstehen, zu akzeptieren und zu regulieren, um eine positive emotionale Gesundheit und soziale Interaktion zu fördern.

Warum ist die Fähigkeit bewusst zu fühlen und der bewusste Umgang mit Gefühlen heute wichtiger denn je?

Dass wir emotionale Wesen sind und unsere Emotionen darüber entscheiden was wir tun, wissen auch alle , die uns irgend etwas verkaufen wollen. Ich selber habe viele Jahre im Marketing gearbeitet und mich intensiv mit der Frage beschäftigt was wir tun können, damit Kunden genau unser Produkt kaufen und nicht das der Konkurrenz - und auch wenn sachliche Informationen die Entscheidung für das eine oder anderen untermauern - am Ende geht es darum, dass der Kunde ein besseres Gefühl hat, wenn er sich für uns entscheidet.

Um also nicht den vielen Versuchungen zu erliegen, die alle darauf abzielen uns zu suggerieren, dass wir auf leichte Art und Weise unsere Bedürfnisse befriedigen können hilft uns ein emotionales Fitnesstraining dabei, selber dafür zu sorgen, dass wir unsere wahren Bedürfnisse wahrnehmen und sie auf eine Art und Weise befriedigen , die gut für uns, gut für andere und gut für das große Ganze ist statt immer nur den bequemen Weg zu wählen.

 
 
 

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